Ernährung - pferdegerecht und praxistauglich

Ernährung – pferdegerecht und praxistauglich

ein Beitrag von Frau Dr. Kathrin Irgang

 

Ein herzliches „Grüß Gott“ aus Berlin,

an dieser Stelle berichtet üblicherweise Dr. Aschenbrenner über Bewegendes aus seiner Praxis – dieses Mal hat er mich gebeten, etwas zu schreiben. Mein Name ist Kathrin Irgang. Ich bin Tierärztin und habe mich auf die Ernährung von Pferden, Hunden und Katzen spezialisiert.

Dr. Aschenbrenner und ich arbeiten schon lange zusammen und hatten im März einen Seminartag zur Pferdeernährung mit einem Praxisteil auf der 7P-Ranch bei Bernd Hackl geplant. Wegen der Corona-Pandemie musste der Tag jedoch verschoben werden.

Mich fasziniert immer wieder, wie die Ernährung oder auch eine Diät die Arbeit des Tierarztes vor Ort unterstützen kann. Zum Beispiel bei einem Sportpferd mit Magengeschwüren: Wenn unter medikamentöser Therapie die Fütterung von 5 kg Hafer am Tag beibehalten wird, können die Geschwüre nicht abheilen.

Damit es möglichst erst gar nicht so weit kommt und Pferde gesund und leistungsfähig bleiben, sollte ihre Ernährung „pferdegerecht“ sein. Aber was heißt das?

Grobfutter – ein Muss!

Pferde sind anatomisch und physiologisch auf eine kontinuierliche Aufnahme einer faserreichen nährstoffarmen Kost ausgerichtet. Wie von der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie 2014 ausgeführt, hat strukturwirksames Grobfutter – also im Wesentlichen Heu, Heulage, Stroh und Weide – folgende Effekte:

  • Pferde sind lange mit der Futteraufnahme beschäftigt.
  • Das Kaubedürfnis wird befriedigt.
  • Es wird für ausreichenden Zahnabrieb gesorgt.
  • Die Futterbissen werden besser durchfeuchtet und die Magensäure gepuffert.
  • Optimale pH-Werte für die Verdauungsenzyme im Dünndarm werden gewährleistet.
  • Die Milieubedingungen im Verdauungstrakt werden stabilisiert.
  • Stabile Fermentationsbedingungen im Dickdarm werden gesichert.

Diejenigen Pferdebesitzer, die schon lange mit Pferden zu tun haben, haben noch gelernt, mit einem Kilogramm Heu pro 100 kg Körpermasse zu rechnen. Diese Zahl gilt heute als absolutes Minimum der Grobfutterversorgung – selbst dicken Pferden wird beim Abnehmen mehr zugestanden, um Koliken und Verhaltensstörungen zu verhindern.

Als Faustregel für idealgewichtige Pferde gilt: mindestens 1,7 – 2 kg Heu/100 kg Körpermasse am Tag (ohne Weidegang).

Neben der reinen Futteraufnahme ist die Beschäftigung mit dem Futter sehr wichtig, wobei jedoch nicht jedes Pferd für eine 24-Stunden-Versorgung mit Grobfutter geeignet ist.

Um einer Verfettung bei leichtfuttrigen Rassen wie Haflingern, Isländern, Shettys oder Fjordpferden vorzubeugen, sollte beispielsweise

  • Heu anteilig mit Stroh gemischt werden (max. ein Drittel der Tagesgrobfuttermenge zur Vermeidung von Verstopfung),
  • die Fresszeit mithilfe von Heunetzen oder Raufen verlängert werden,
  • das Grobfutter in kleinen Mengen über Fütterungsautomaten angeboten werden oder
  • die Haltung in Aktivställen Bewegungsanreize liefern.

 

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich Pferde mit der Futteraufnahme 12 Stunden am Tag beschäftigen können sollten – und nicht rund um die Uhr, wie von vielen Besitzern gefordert. Besonders im Freizeitbereich stellt dies eine Gratwanderung zwischen Verfettung und drohender Hufrehe einerseits und Nahrungskarenz und dem Risiko von Magengeschwüren andererseits dar.

Kraftfutter – mit Obergrenzen

Der Erhaltungsbedarf von Pferden sollte durch Grobfutter gedeckt werden. Wenn Kraftfutter benötigt wird, sollten nicht mehr als

300 g/100 kg Körpermasse und Mahlzeit

gefüttert werden. Bei einem kleinen Warmblut, beispielsweise einem Traber, darf somit nicht mehr als 1,5 kg Kraftfutter auf einmal in die Krippe gegeben werden. Wer meint, dass sein Pferd mehr braucht, muss also öfter füttern. Kraftfutter sind Hafer, Gerste und Mais sowie Müsli, Pellets und Mash als Ergänzungsfutter.

Nachfolgend noch ein paar Faustzahlen zur Kraftfuttergabe je nach Leistung eines Pferdes:

aus: Supplemente zur Tierernährung, 12. Auflage, Schaper, 2014, S. 333

   Kraftfutter für leichte Arbeit:

 0 – 0,25 kg/100 kg KM  

   Kraftfutter für mittlere Arbeit:

   0,25 – 0,75 kg/100 kg KM  

   Kraftfutter für schwere Arbeit: 

  0,75 – 1,25 kg/100 kg KM (max.)  

Übrigens: Die wenigsten „Futtermeister“ kennen die Ration ihres Pferdes. Nehmen Sie ruhig mal einen Laubsack, eine Feder-/Kofferwaage und eine Küchenwaage mit in den Stall, bevor Sie eine „Schippe“ mehr Kraftfutter auf der Tafel an der Box einfordern. Aber Vorsicht im Pensionsbetrieb: Die Fütterung ist oft ein „heißes Eisen“!

Futterhygiene – sorgt für Diskussionen

Hygienisch einwandfreies Futter sollte selbstverständlich sein. Doch gerade die Heuqualität führt immer wieder zu Diskussionen im Pensionsbetrieb, wie ich aus den Anfragen in meiner Praxis heraushöre – in Zeiten von Klimawandel und Heuknappheit ein weiteres „heißes Eisen“. Vor allem bei häufigen Koliken oder bei Atemwegsproblemen sollte stets auch an die Futterhygiene gedacht werden. Und ganz nebenbei: Wann haben Sie zuletzt die Futterkrippe Ihres Pferdes gesäubert?

Wasser – Menge und Qualität

Für die Gesunderhaltung von Pferden ist außer der Versorgung mit Energie und Nährstoffen ein ausreichendes und sauberes Wasserangebot unerlässlich. Stellen Sie sich vor, Sie müssen im Winter im Offenstall bei eingefrorener Tränke zwei Isländer tränken, weil die Besitzerin erkrankt ist. Wie viele Eimer nehmen Sie mit – mal abgesehen davon, dass Pferde einen stehenden Vorrat einer Selbsttränke vorziehen?

Als Faustregel gilt: 3 – 4 Liter/kg Trockensubstanzaufnahme.

Gerechnet wird mit einer Trockensubstanzaufnahme von 2,5 – 3 % der Körpermasse, was bei einem zum Beispiel 350 kg schweren Isländer rund 9 bis 10 kg am Tag und einem Wasserangebot von 30 bis 40 l entspricht. Das Wasser sollte mindestens Tränkwasserqualität, besser noch Trinkwasserqualität haben und immer spätestens zwei Stunden nach jeder Mahlzeit angeboten werden.

Und, zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? Richtig: Sie werden mit sechs bis acht gefüllten 10-l-Eimern am Tag für beide Pferde unterwegs sein.

 

UNSERE PRAXIS BEDANKT SICH SEHR HERZLICH BEI FRAU DR. IRGANG FÜR DIESEN BEITRAG.

Wenn sie eine individuelle Rationsberatung wünschen, wenden Sie sich gerne direkt an Frau Dr. Irgang unter: www.tierarzt-ernaehrung.de

Schauen sie auch auf unseren Newsbeitrag vom 15.11.2020 (Webinar mit Frau Dr. Irgang) und vom 21.03.2020 (Vortragstag mit Frau Dr. Irgang in Cham am 09.10.2021, wenn Corona dies zuläßt).

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